Über die Komplexität und die Einfachheit Es gibt Arbeiten, die aus zwei, drei Setzungen sich bilden und eine enorme Kraft haben. In ihrer Offenheit und Reduzierung können Sie den Betrachter provozieren. Ihre gelungene Farbigkeit aber lädt ein zur Wahrnehmung des grundlegenden Tuns des Malers. Mein Ideal ist diese selbstbewusste, erfahrene Umsetzung, sie sich in wenigen Strichen manifestieren kann und in ihrer poetischen Einfachheit unwiderruflich besteht. Diese Einfachheit stellt klar wo die Gewichtungen liegen in der Kunst und vermittelt dem Betrachter keine unnötigen, ablenkenden Illusionen. Ich freue mich, wenn eine Idee sinnlich wahrgenommen werden kann und es ist besonders das Einfache, das es schafft, den Betrachter nur auf zwei oder drei Farbflächen zu verweisen. Die Probleme dabei sind natürlich die kritische Haltung und die erforderliche Sensibilität, aber damit muss man den Betrachter offensichtlich konfrontieren. Für mich selbst ist es der Moment des Aushaltens, der Wahrnehmung der Kraft, um zu dieser deutlichen Setzung zu gelangen. In ein oder zwei Sätzen etwas sagen, das man in zwei Seiten Text vielleicht umschreiben könnte, aber in einer klaren Setzung unmittelbar begreiflich macht. Das zeitgenössische Bild reduziert sich, stellt A gegen B und reflektiert so vielleicht schon unser ganzes Sein. Demgegenüber entstehen komplexe Schichtungen, Verdichtungen, Überlagerungen, Erzählungen, Reisen, die stark über das Momentane hinaus gehen, die ganz bewusst Farbkontraste entstehen lassen, die nicht dem Moment überlassen werden können, nicht nur jetzt entstehen können. Diese Bilder entstehen durch Einflussnahme von Zeit, von komplexen Zeiträumen, von Veränderungen. Sie vereinen Widersprüche, schwankende Positionen, unterschiedliche Charaktere, unterschiedliche Materialitäten von Farben und bilden einen erzählerischen Charakter: verbergen sich, überlagern sich, entstehen aus Ablagerungen von Zeit (wie bei Per Kirkeby), zwischen verschiedenen Systemen (wie bei Albert Oehlen) oder durch intellektuelle Strategien (wie bei Gerhard Richter). Es entstehen Symphonien mit einer enormen Dichte an Erlebnissen, die sich immer wieder neu zueinander ordnen, den Betrachter immer wieder in Bewegung halten und sich offen halten. Das sind die komplexen, die verdichteten Bilder mit zehn oder dreißig Schichten, an denen ich über Wochen male, die sowohl die Malwut, die Mallust, die Enttäuschung, die Frustration, die Ziellosigkeit auffangen zu einem komplexeren übergeordneten Bild meines Tuns. Also das reine Malen zeigt sich sowohl im Moment, als auch in der komplexeren zeitorientierten Komposition. Das poetische Nadelöhr der Wahrnehmung begreifbar machen und die Komplexität der Welt spiegeln. Es gibt diesen Widerspruch und die Sehnsucht sowohl nach dem einen als auch dem anderen, und es ist nur ein Moment in dem ich das Einfache verlasse und das Bild einen neuen komplexeren Status erreicht. Irgendwo dazwischen entsteht eine Melodie, ein paar Töne, ein Zweizeiler, ein Gedicht. Es ist Zweifel, der die komplexe Struktur schafft und es ist die Bewusstheit und Sicherheit, die das Einfache erhält und trägt. 13.11.13 Axel Plöger |