Axel Plöger - Malerei
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Die Strukturen in den Bildern

von Axel Plöger (Oktober 2024)

Meine Gedanken bilden eine Struktur, in der Erinnerungen und Ideen miteinander verknüpft sind. Auch diese Überlegung zur Qualität von Strukturen folgt einer Struktur. Es sind Denkstrukturen, die mein Bewusstsein formen – lebendig, wachsend, sich verändernd – ein Netz von Gedankenzusammenhängen. Es entsteht ein Jetzt-Netz in meinem Bewusstsein, das ich nur für einen kurzen Moment erfassen kann, bevor es sich wieder verändert. Wahrnehmung selbst besitzt eigene emotionale Strukturen – tiefere Schichten, die in Resonanz treten und auf oft überraschende Weise mit Gedanken verbunden sind.

In der Meditation ist es manchmal möglich, diese emotional-kognitiven Strukturen für einen kurzen Augenblick zu erfahren und als Gebilde vage im Bewusstsein wahrzunehmen. Doch ich berühre mit meinem Denken immer nur einen Teil davon und nehme dabei eine immense Vernetzung wahr, der ich nicht logisch folgen kann. Gefühle sind Wahrnehmungen, Emotionen sind Strukturen, Netzwerke, klebrig und verbunden mit Gedanken. Gedanken wiederum sind Strukturen. Konzepte sind bewusst formulierte Strukturen, die in ihren Möglichkeiten zweidimensional sind, aber offen für Verflechtungen. Jedes Substantiv beschreibt eine Struktur. Ich kann Fühlen und Denken als Struktur wahrnehmen, aus der heraus Handeln entsteht. Strukturen überlagern sich, verknüpfen sich und werden als gegenwärtig erlebt. Sie existieren, sobald ich innehalte und nicht reagiere (aus der Struktur), sondern sie als Teil meines Bewusstseins wahrnehme. Ich kann entscheiden, diese Struktur einzusetzen oder zu verändern, indem ich sie erkenne.

Der Poststrukturalismus begreift strukturelles Handeln als ein Bewusstseinskonzept. Dadurch wird es möglich, Strukturen kritisch zu hinterfragen und zu verändern. Auch emotionale Strukturen mit zerstörerischem, chaotischem oder triebhaftem Charakter – wie Wut, Zuneigung, Hass und Angst – können als Strukturgebilde erlebt werden. Entscheidend ist immer der Moment des Innehaltens. Nicht ausweichen, sondern hinschauen: Welche Struktur leitet gerade mein Handeln?

In meiner Malerei habe ich die Möglichkeit, Strukturen sinnlich erfahrbar zu machen. Gedanken sind innere Motive, die mit Farbe umgesetzt werden. In Verbindung mit der Farbe entsteht die Körperlichkeit, die sinnliche Materialität der Struktur auf der Fläche des Bildes. So entstehen Flächen, Rhythmen, Netze, organische Gebilde oder figürliche Assoziationen. Diese werden in der Arbeit durch Überlagerungen, Verwischungen, Auflösungen und Zerstörungen der Strukturen weiterentwickelt.

Meine Bilder entspringen den inneren, emotional-kognitiven verknüpften Strukturen und machen diese sichtbar. Sie werden zum Motiv meiner Malerei, zu meinen Sprachelementen und Farbräumen. Es sind innere Selbstporträts von Bewusstseinszuständen. Sie bilden begehbare Erfahrungsräume – komplexe Hyperstrukturen, die sich nur in meiner Gegenwärtigkeit verbinden. Die Qualität meiner Bilder entsteht durch die volle Aufmerksamkeit, die ich meinem malerischen Tun widme. Sie sind Dokumente eines wahrhaft sinnlichen Prozesses. Die entstehenden Arbeiten stellen nichts dar, sie haben keine Aussage. Sie zeigen bestenfalls die Gegenwärtigkeit meines künstlerischen Schaffens – das, was zwischen mir und der Leinwand passiert, das Entstehen zwischen Flow und Reflexion.

Wahrnehmungstheorien haben mich immer besonders interessiert. Beeindruckend ist die buddhistische Lehre der fünf Skandhas: Form (rupa), Empfindung (vedana), Wahrnehmung (samjna), Wollen (samskara) und Bewusstsein (vijnana). Interessant ist, wie viele Stufen der bewussten Wahrnehmung (zum Beispiel eines gemalten Bildes) hier vorgeordnet sind. In meinen Arbeiten versuche ich, diese Vorstufen besonders auszudehnen, möglichst lange im Malprozess zu verweilen und seine Unmittelbarkeit zu zeigen. Hier greift auch der Begriff des „Flow“ aus der musikalischen und künstlerischen Performance.

Was bedeutet das für den Malprozess und den Betrachter?

Wir handeln alle aus einer Struktur heraus. Wir sind, wie wir sind, oder wir versuchen, uns zu verändern und nicht das zu tun, was unserer Struktur entspricht. Als abstrakter, nicht-figürlich malender Künstler nehme ich einen Pinsel in die Hand und beginne aus einem bewussten Konzept heraus, also einer Entscheidung, zu malen. Dann arbeite ich jedoch unbewusst, aus einer Struktur heraus. Es entstehen Linien, Flächen, Rhythmen – sogar strukturartige Gebilde und Verwebungen im Bild. Ich mache meine agierende Struktur sichtbar und materiell erfahrbar. Nun wird sie zu einem Gegenüber. Diese Struktur, die aus mir herausgetreten ist, bleibt als unveränderliches Dokument dessen, was gerade noch mein Reagieren war. Es ist bereits nicht mehr „ich“. Mit dieser entstandenen Form arbeite ich nun weiter, nehme Farbräume und -körper wahr. Ich reagiere auf das Bild, und ein wechselseitiger Prozess entsteht – ein Dialog, der immer wieder innehält und sich seines Reagierens bewusst wird.

Als Betrachter der Bilder erlebe ich die unmittelbare Körperlichkeit eines mir bekannten inneren Prozesses. Es schwingen Emotionen und Gedanken mit, ich kann mir meiner eigenen Strukturansätze bewusst werden und sie immer wieder mit der Materialität des Bildes verbinden. Ich bewege mich in den visuellen Strukturen, ich reflektiere.