Axel Plöger - Malerei
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Einführung zur Ausstellung Axel Plöger. Sessions – Zeit und Farbe am 1. September 2024
in der Alten Synagoge des Kunstvereins Oerlinghausen

Jara Lahme

Vielen Dank, Frau Müller-Borchert, für die einleitenden Worte und die Vorstellung. Herzlich Willkommen auch von mir zur Ausstellungseröffnung von Axel Plöger. Sessions – Zeit und Farbe.
Ich möchte zu Beginn vor allem Axel danken, dass ich heute die Einführung in die Ausstellung sowie sein Werk geben darf. Ich freue mich besonders über diese Möglichkeit, da ich nicht nur als Kunsthistorikerin, sondern auch als Stieftochter von Axel hier stehen darf, der mich nun schon viele Jahre meines Lebens begleitet und geprägt hat. Hätte ich nicht einen großen Teil meiner Jugend in seinem Atelier und zwischen seinen Werken verbracht, so hätte ich wohl kaum Kunstgeschichte studiert und würde heute nicht vor Ihnen stehen. Ich freue mich also sehr darüber, Ihnen einige Impulse und Gedanken mit auf den Ausstellungsrundgang geben zu dürfen und im Laufe der Eröffnung mit Ihnen ins Gespräch zu kommen.

Die Verbindung zwischen Axel und mir bietet mir nun auch eine passende Überleitung, um näher über diese Ausstellung zu sprechen, denn es geht in der Ausstellung und in Axels Werk immer wieder um Linien, Netze und Gitter – im weitesten Sinne also um Verbindungen. Visuell können diese als Pinselstrichverflechtungen auf den Bildern schnell wahrgenommen werden, doch spiegeln sie sich nicht bloß in den Einzelwerken wider, sondern lassen sich über mehrere Jahrzehnte hinweg immer wieder in den Arbeiten entdecken. Die Linie als Einzelnes sowie in ihren komplexen Rasterkompositionen nehmen im Werk eine wichtige Rolle ein. Sie können als malerische Interventionen in die Flächen verstanden werden und bilden durch die stetige Wiederkehr im Gesamtwerk eine motivische Kontingenz. Die vom Künstler intendierten Querbezüge zwischen den Werken kreieren folglich nicht nur ein visuelles Netz, sondern bilden im Œuvre eine dialogisch verwobene Netzwerkstruktur. Diese Rückund Querbezüge in Werk und Zeit können als Ausgangspunkte für diese Ausstellung verstanden werden. Im Mittelpunkt steht das Frühwerk Amazonía von 1999, das Sie hier an zentraler Stelle sehen können. Es ist das einzige frühe Werk, das in dieser Ausstellung zu sehen ist. Von ihm aus erstrecken sich die Verbindungen in den Raum, die sich dann mit den neuen Werken aus den letzten beiden Jahren verknüpfen lassen. So wird das Netz zwischen Werk, Künstler und Betrachtenden gespannt.

Das Werk Amazonía wurde in den letzten zwei Jahren vom Künstler bewusst mit in den Malprozess eingebunden. Es ist eines von drei Bildern, das während der sechsjährigen Zeit in Lima entstanden und noch in seinem Besitz ist. Das nun 25 Jahre alte Bild hing seit dieser Zeit im Atelier und begleitete, inspirierte und beflügelte ihn, im Rückblick auf diese Schaffensphase die netzartigen Strukturen wieder aufzugreifen. Die Fokussierung lag dabei bewusst auf dem Malprozess in seinen in sich abgeschlossenen Ebenen und auf der Ausdruckskraft des frühen Werkes. Die Entwicklungen und Veränderungen der Arbeiten von 1999 bis heute hat er nun auch in einer ausgewählten Zusammenstellung im Katalog Reflexionen verarbeitet, der zu dieser Ausstellung erschienen und natürlich auch käuflich zu erwerben ist.

Neben Amazonía begegnen wir heute einer Werkauswahl aus den fünf Serien Volver, Reflexionen, Dances, Flow und Lethe, die 2023 und 2024 entstanden sind. Die Arbeiten aus der Serie Volver (ein Titel, der aus dem Spanischen kommt und im Deutschen zurückkehren bzw. wiederkommen bedeutet), sind mit bewusstem Einbezug der Arbeit Amazonía entstanden und weisen daher eindeutige motivische Rückbezüge zu diesem Frühwerk auf. Im direkten Vergleich werden Ähnlichkeiten sichtbar, die sich in den leinwandübergreifenden Rastern und Gittern zeigen, die mal symmetrisch oder asymmetrisch übereinanderliegen.

Neben zeitlichen Rückbezügen innerhalb des Gesamtwerks spielt die Zeitlichkeit der künstlerischen Ausführung, also die Zeitlichkeit während des Entstehungsprozesses der Werke, bereits seit seinem Studium eine ebenso wichtige Rolle. So setzt sich der Künstler ein Zeitlimit, wie bei den Arbeiten aus den Serien Flow und Lethe und arbeitet in zeitlich begrenzten und voneinander getrennten Drei-bis-fünf-Minuten-Sessions. Sobald die Session vorbei ist, ist auch dieser Arbeitsabschnitt fertig; keine Veränderungen, keine Korrekturen mehr. Die Arbeit wird in ihrem Zustand angenommen, ohne während des Malprozesses in eine distanzierte Wahrnehmung zu gehen. Die Arbeiten der Serie Flow entstehen also aus ebendem: einem Mal-Flow (engl.) bzw. aus einer Bewegung, aus einem momentanen Impuls heraus, ohne bewusste konzeptionelle Planung. Dem gegenüber ist das Wort Lethe, wie so oft in seinen Titeln, aus der griechischen Mythologie entlehnt und benennt hier den

Fluss des Vergessens. Die Sessions stellen also die Form dar, um den Prozesscharakter des Werkes mehr zu fokussieren und diesen auch im Bild spürbar werden zu lassen. Es geht nicht um das ‚perfekte‘ Bild, sondern um den Weg dahin – die sichtbaren Arbeitsschritte mit Anfang und Ende, den sinnlichen Mal-Flow.

Auch die drei Arbeiten aus der Serie Reflexionen entstanden in Mal-Sessions. Ihnen liegt allerdings im Gegensatz zur Serie Flow schon vor der Ausführung ein farbliches Konzept zugrunde: vom Dunklen, meist Schwarzen zum Hellen. Ein Prozess des Auftragens mehrerer Farbschichten, die dunkel beginnen und immer heller werden und stark monochromen Charakter haben. Die so entstandenen kontrastreichen Arbeiten werden so zu einer zeitlichen wie farblichen Momentaufnahme einer Sequenz von Dunkel zu Hell, von der Nacht zum Tag oder als Lichtreflexion auf einer Oberfläche, die Licht in den Schatten wirft.

Die fünfte Serie Dances, von der hier heute zwei zu sehen sind: Dances Nr. 1 und Nr. 5, besteht aus großformatigen Werken, deren Entstehung ein improvisierender Charakter zugrunde liegt. Sie können analog zur Improvisation in der Jazzmusik gelesen werden, die die Inspiration für die Serie darstellt. Sie spiegelt sich im spontanen künstlerischen Prozess wider. Ohne geplante Komposition ergibt sich ein freies sinnliches Spiel der Entwicklungen von Formen und Linien, die aufeinanderliegen und ineinandergreifen. Besonders in der Arbeit Dances Nr. 5 lösen sich die Formen von der Linearität und gewinnen an Fülle, Rundung und Figürlichkeit.

Die Reduktion von Komplexitäten auf Formen, Flächen und Linie, der Akt des Malens und die prozesshafte Entwicklung und Akzeptanz von der Veränderung des Bildes zeigen die Wertigkeit, die der Formund Farbsprache im Werk beigemessen wird. Das Malen der Linie – ob als bedächtig aufgetragener Pinselstrich oder schnell gezogene Linie eines großen Gitters oder wirren Geflechts – weist auf die bewusste Ausführung und Anerkennung des Prozesses hin, die um die sinnliche sowie berührende Qualität von Linie und Farbe erweitert werden. Die pastosen, reliefartigen Spuren des Malens werden sozusagen zum Duktus eines Gefühls. In ihrer Einfachheit avancieren Zeit, Form und Farbe zu autobiografischen Ausdrucksmitteln der Komplexität von Alltag und Lebensrealitäten.

Wie wir die Werke nun wahrnehmen, welchen Zugang jede und jeder Einzelne zu den Wer-

ken wählt, ist uns selbst überlassen. Abstraktion ist scheinbar allgemein verständlich und in der Begegnung doch so individuell. Kunstwerke ohne vorgegeben Leseund Interpretationsanweisungen überlassen den Zugang uns selbst und fordern uns dabei heraus, uns als Betrachtende auf sie einzulassen und überhaupt eine eigene Begegnung zuzulassen – völlig unabhängig von der gewollten Intention des Künstlers.

Nun möchte ich Ihnen die eigene Begegnung mit den einzelnen Werken überlassen, gehen Sie auf ihre eigene Reise, nehmen Sie wahr – tauchen Sie in die Farben und Formen ein und halten Sie die Zeit für sich einen Moment an.
Gerne stehen Axel und auch ich weiterhin für Gespräche bereit. Ich bedanke mich sehr für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen einen schönen Ausstellungsbesuch.

Introduction to the exhibition Axel Plöger. Sessions – Time and Colour on 1 September 2024 at 11.30 am in the Old Synagogue of the Kunstverein Oerlinghausen

Jara Lahme

Thank you very much, Mrs Müller-Borchert, for the introductory words and the presentation. A warm welcome also from me to the opening of Axel Plöger's exhibition Sessions – Time and Colour.
I would like to begin by thanking Axel in particular for allowing me to introduce the exhibition and his work today. I am particularly pleased about this opportunity, as I am here not only as an art historian, but also as the stepdaughter of Axel, who has accompanied and influenced me for many years of my life. If I had not spent a large part of my youth in his studio and among his works, I would hardly have studied art history and would not be standing before you today. I am therefore very pleased to be able to give you some ideas and thoughts on the exhibition tour and to be able to talk to you during the opening.

The connection between Axel and myself now also provides me with a suitable transition to talk about this exhibition in more detail, because the exhibition and Axel's work are always about lines, nets and grids – in the broadest sense about connections. Visually,

these can be quickly perceived as brushstroke interweavings in the paintings, but they are not only reflected in the individual works, but can be discovered again and again in the works over several decades. The line as an individual element and in its complex grid compositions play an important role in the work. They can be understood as painterly interventions in the surfaces and form a motivic contingency through their constant recurrence in the overall work. The cross-references between the works intended by the artist thus not only create a visual network, but also form a network structure interwoven in dialogue within the oeuvre. These references and cross-references in the work and time can be understood as starting points for this exhibition. At the centre is the early work Amazonía from 1999, which you can see here in a central position. It is the only early work on show in this exhibition. From it, the connections extend into the room, which can then be linked with the new works from the last two years. In this way, the net between work, artist and viewer is stretched.

The work Amazonía was consciously integrated into the painting process by the artist over the last two years. It is one of three paintings created during the six-year period in Lima and is still in his possession. The painting, which is now 25 years old, has been hanging in his studio since that time and has accompanied, inspired and encouraged him to return to the net-like structures when looking back on this creative phase. He deliberately focussed on the painting process in its self-contained levels and on the expressive power of the early work. He has now also processed the developments and changes in the works from 1999 to the present day in a selected compilation in the catalogue Reflexionen (reflections), which was published for this exhibition and is of course also available for purchase.

In addition to Amazonía, today we encounter a selection of works from the five series Volver, Reflexions, Dances, Flow and Lethe, which were created in 2023 and 2024. The works from the Volver series (a title that comes from the Spanish and means to return or come back in German) were created with the deliberate inclusion of the work Amazonía and therefore show clear motivic references to this early work. In direct comparison, similarities become apparent in the grids and lattices across the canvas, which are sometimes symmetrically or asymmetrically superimposed.

In addition to temporal references within the overall work, the temporality of the artistic execution, i.e. the temporality during the creation process of the works, has played an equally important role since his studies. For example, the artist sets himself a time limit, as in the works from the Flow and Lethe series, and works in time-limited and separate three-to five-minute sessions. As soon as the session is over, this stage of the work is also finished; no more changes, no more corrections. The work is accepted as it is, without entering into a distanced perception during the painting process. The works in the Flow series are thus created from the same thing: a painting flow or from a movement, from a momentary impulse, without conscious conceptual planning. In contrast, the word Lethe, as so often in his titles, is borrowed from Greek mythology and here denotes the flow of forgetting. The sessions thus represent the form for focussing more on the process character of the work and making this perceptible in the image. It is not about the ‘perfect’ picture, but about the path to it – the visible work steps with beginning and end, the sensual flow of painting.

The three works from the Reflections series were also created in painting sessions. However, in contrast to the Flow series, they are based on a colour concept even before execution: from dark, mostly black, to light. A process of applying several layers of colour that begin dark and become lighter and lighter and have a strong monochrome character. The resulting high-contrast works thus become a snapshot in time and colour of a sequence from dark to light, from night to day or as a reflection of light on a surface that casts light into shadow.

The fifth series, Dances, two of which can be seen here today: Dances No. 1 and No. 5) consists of large-format works whose creation is based on improvisation. They can be read as analogous to improvisation in jazz music, which is the inspiration for the series. It is reflected in the spontaneous artistic process. Without a planned composition, the result is a free, sensual interplay of developing forms and lines that overlap and interlock. In the work Dances No. 5 in particular, the forms detach themselves from linearity and gain in fullness, roundness and figurativeness.

The reduction of complexities to forms, surfaces and lines, the act of painting and the processual development and acceptance of the changes in the picture show the value

attached to the language of form and colour in the work. The painting of the line – whether as a carefully applied brushstroke or the quickly drawn line of a large grid or tangled weave – points to the conscious execution and recognition of the process, which is enhanced by the sensual and touching quality of line and colour. The impasto, relieflike traces of painting become, as it were, the ductus of a feeling. In their simplicity, time, form and colour become autobiographical means of expressing the complexity of everyday life and realities.

How we perceive the works, which approach each individual chooses to the works, is up to us. Abstraction is seemingly universally understandable and yet so individual in the encounter. Works of art without predetermined reading and interpretation instructions leave the approach up to us and challenge us as viewers to engage with them and allow our own encounter completely independent of the artist's intentions.

Now I would like to leave you to your own encounter with the individual works, go on your own journey, take note – immerse yourself in the colours and shapes and stop time for yourself for a moment.
Axel and I will be happy to continue talking to you. Thank you very much for your attention and I wish you a pleasant visit to the exhibition.

01.09.19 Jara Pauline Lahme

 

01.09.19 Jara Pauline Lahme